Eine Kunst-Intervention im öffentlichen Raum | Limmatquai 2009-2015 | Jan Morgenthaler, Barbara Roth, Martin Senn, Fariba Sepehrnia

Beiträge Medienkonferenz 13.1.2014

Martin Waser, Stadtrat

Ich sei ein nüchterner, pragmatischer Mensch, sagt man.

Das stimmt – aber ich bin auch ein Romantiker. Darum bin ich wegen einer Liebesgeschichte hier.

Liebe entsteht im Bauch, lässt Schauer über den Körper rasen und strahlt bis
in den Kopf – das heisst aber nicht, dass dieser die Liebe kontrollieren kann.
Ist die Liebe in Gefahr, werden wir in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

So ist es mir im letzten September ergangen:

An der Stadtratssitzung zeigte sich, dass der Hafenkran aus technischen Gründen
teurer wird als erwartet. Mehrkosten von 120‘000 Franken standen im Raum!
Allen im Stadtrat war klar: Dieses Geld können wir nicht zusätzlich beantragen,
das wäre der Tod des Projekts.

Jetzt können Sie sich meinen Gemütszustand vorstellen! Herzrasen,
Schweissausbruch, Atemnot und dann eine kurz entschlossene Handlung.

Ich schickte meiner Frau ein SMS: «Ist dir der Hafenkran 120‘000 Franken wert?
Ich müsste eine Zusage machen.»

Darauf antwortete meine Frau: «Was heisst das? Dass wir persönlich das bezahlen? Eigentlich haben wir ja genügend Geld, und wir können es ja nicht in den
Himmel nehmen. Von mir aus ist das ok.»

Sie finden in der Medienmappe den vollständigen SMS-Dialog zwischen
meiner Frau und mir.

Diese Liebesgeschichte spielt auf drei Ebenen:

Wer hat schon eine so tolle Frau – die keine zwei Minuten brauchte, um ihre
Zusage zu machen.

In den Hafenkran habe ich mich als Jurymitglied 2008 verliebt.

Meine Liebe gilt sowieso der Stadt und ihrer Bevölkerung.

Und daraus schöpfen wir, meine Frau und ich, die Zuversicht, dass wir den Betrag
nicht allein bezahlen müssen, sondern dass uns noch andere Leute unterstützen werden, die sich auch in den Hafenkran und die Idee eines maritimen Zürichs verliebt haben.

Inzwischen wissen wir auch, dass nur noch Fr. 80‘000 fehlen.

Herzlich bedanken möchte ich mich beim Gemeinderat, der das Budget für den
Hafenkran bewilligt hat und damit dieses Kunstprojekt erst möglich gemacht hat.

Die Kontonummer ist aus den Medienunterlagen und auf der Website ersichtlich.

Peter Neuenschwander, Zunftmeister Zunft zur Schiffleuten

Sehr geehrte Damen und Herren

Im Juli 1336 wird in der Brun’schen Verfassung festgehalten: „Vischer, schiflúte, karrer, seiler und tregel, die súln haben ein zunft und ein baner.“

Die Zunft zur Schiffleuten vereinigte damals also das Transportgewerbe zu Wasser und zu Land. Als Herren des oberen und niederen Wassers sowie der Landtransporte waren die Schiffleute natürlich auch für die Umschlagplätze, die Schiffländen und Häfen verantwortlich. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, auch für den Hafenkran die nautische Hoheit zu beanspruchen. Dass wir – Schiffer des sogenannten „oberen“ und „niederen“ Wassers vereinigten, verdeutlicht die Rolle Zürichs als Drehscheibe des Wasserverkehrs – nach oben zum Walensee und den Pässen zu Italien, nach unten zu Strassburg und dem Meer. An der Schifflände und dem späteren Hafen der Limmat wurden Soldaten zum Krieg, aber auch Pilger zur Wallfahrt auf Schiffe verladen, kostbarer Wein von den Seegemeinden importiert und Stadtmist als Dünger an die Goldküste exportiert – auf politische Parallelen zum 21. Jahrhundert möchte ich damit nicht anspielen.

Die Limmat als Lebensader und Verbindungsweg von Gebirgspässen zum Meer hatte aber nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Bedeutung. 1576 fuhren etwa Schiffer und Schützen in einem Tag zum befreundeten Strassburg, um zu zeigen, dass Zürich jederzeit rasch zu Hilfe kommen könne. Als Beweis brachten sie einen dampfenden Kessel voll Hirsebrei mit. Die historische Hirsebreifahrt nach Strassburg wird alle 10 Jahre ab diesem Depot des Limmatclubs gestartet, das nächste mal 2016.

Eine weitere Tradition der Schiffleute ist das Schifferstechen, welches schon auf dem Murer’schen Stadtplan, ebenfalls von 1576, vor dem Rathaus zeichnerisch festgehalten worden ist. Dabei handelt es sich um eine nautische Form der alten Ritterturniere. Statt auf dem breiten Pferderücken befindet sich der furchtlose Stecher allerdings auf einem schmalen, wackligen Podest am Heck eines Weidlings. Dieser bewegt sich auf den Gegner zu, dessen gepolsterte Lanze darauf abzielt, einen in die kalte Limmat zu befördern.

Die Zunft zur Schiffleuten freut sich, das alle drei Jahre auf der Limmat, Höhe Storchen/Rathaus, stattfindende Schifferstechen im Rahmen des geplanten Hafenfestes vom 5. Juli abzuhalten. Teilnehmen werden alle Zünfte Zürichs mit je einem kostümierten Stecher. Untermalt wird der Wettkampf durch unser Zunftspiel, die Verena Musik Stäfa. Ich kann Ihnen ein erstklassiges Spektakel versprechen. Dass die abgeworfenen Stecher dann mit dem Hafenkran aus der Limmat gefischt werden, ist allerdings ein Gerücht, welches ich nicht bestätigen kann, wurde der Kran aus Sicherheitsgründen doch seiner Innereien beraubt. Als gastgebender Zunftmeister freue ich mich, Sie am 5. Juli um 16 Uhr als Zuschauer des Schifferstechens begrüssen zu dürfen.

Florian von Meiss, Initiant der Freunde Zürich Maritim

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe seit Jahren ehrenamtlich mit dem Gesellschaftshaus zum Schneggen zu tun, das genau auf dem gegenüberliegenden Limmatufer steht und wo sich im Parterre das Grand Cafe Motta befindet. Ich wurde nach Bekanntwerden des Projektes Hafenkran vom Vorstand des Schneggen umgehend beauftragt diesen „Unfug“ als Anwalt zu bodigen.

Ich musste damals nach einigen Recherchen feststellen, dass bereits sämtliche Bewilligungen der Stadt Zürich und des Kantons für die Errichtung des Krans erteilt worden waren und dass die Chancen gegen das Kulturprojekt rechtlich erfolgreich vorzugehen wohl bei NULL liegen würden.

Ich war zudem in einem erheblichen persönlichen Interessenkonflikt als ehemaliger Seefahrer und Segler in dritter Generation und Enkel einer Grossmutter aus Rotterdam. Den definitiven Durchbruch für das Projekt Hafenkran schaffte bei mir dann aber Jan Morgenthaler, mit einem Gipfeli, das er mir einmal frühmorgens am Limmatquai anbot und mir seine Geschichte zum Hafenkran erzählte. Nun hatte sich das Blatt bei mir gewendet, und ich sah nun meine neue Aufgabe darin, meine teils sehr konservativen Vorstandkollegen zu überzeugen, mindestens ein gewisses Wohlwollen zum Projekt Zürich Maritim zu entwickeln. Wir würden im uralten Schneggen ja nur während kurzen 9 Monaten vom Schattenwurf des fili"k"ranen Krans in Mitleidenschaft genommen und die Stadt sei gut haftpflichtversichert.

Gleichzeitig stellte ich zudem fest, dass Jan Morgenthaler und sein Team als Gewinner des städtischen Kulturwettbewerbes von verschiedensten Seiten mehr und mehr im Regen stehen gelassen würden, und es begann mir Spass zu machen zu versuchen, die Salonfähigkeit des Hafenkrans in der Öffentlichkeit oder mindestens in meinem Umfeld zu steigern. So bildete sich nach und nach eine wachsende Gruppe von Gleichgesinnten. Diese Arbeit war gelegentlich ein Schwimmen gegen den Strom bzw. die Arbeit eines Hofnarren. Die Freunde nannten sich Freunde Zürich Maritim. Die Arbeit mit den Freunden machte wiederum grossen Spass.

Ich bin überzeugt, dass dieses Projekt eine weitreichende Resonanz finden wird und wünsche dem Hafenkran gute 9 Monate. Ich meine, dass dieses Projekt für die Stadt Zürich ein Glücksfall darstellt.

Peter Rothenhäusler, Präsident Quartierverein 1 rechts der Limmat

Die Altstadt rechts der Limmat (und so viel ich weiss, auch diejenige links der Limmat) freut sich mehrheitlich auf einen Sommer am Meer.

Wir hoffen, dass die Bewohner und  Bewohnerinnen von Klein bis Gross, von Alt bis Jung, die neu gewonnene Küste und den Hafen kreativ mitgestalten. Wir lassen uns überraschen von dem, was da alles ausgegraben wird ...

Die Kran-Skeptiker die befürchten,  die „Proportionen der Altstadtskyline“ würden durcheinander gebracht, kann ich beruhigen: eine neue Perspektive gibt ein Feriengefühl zu Hause: das Ferienbudget wird entlastet!  

Jeder darf Skeptiker sein. Zum Beispiel, weil die Altstadt schon wieder ein Fest beherbergen darf. Doch das Hafenfest wird ruhiger werden – unplugged!

Uns Quartierbewohnern gefällt transit maritim! Wir sind überzeugt, dass das Kunst-Projekt für alle ein grosser Gewinn sein wird.

Wir Eingeborenen werden da sein ...


Philippe Welti, ehemaliger Botschafter

Ein fremder Blick von Teheran und Delhi auf das maritime Zürich

Nun ist also der Blick von aussen gefragt. Ich war in den letzten Jahren tatsächlich unterwegs und kenne beispielsweise die Millionenstädte Teheran und New Delhi.

Teheran und Delhi sind Metropolen mit 14 Millionen Einwohnern. Beide Metropolen sind vollkommene Binnenstädte. Es fehlt ihnen der Meeresanstoss, und es fehlen ihnen Flüsse und Seen.

Aber an beiden Orten gibt es eine Archäologie der Vergangenheit, einer Vergangenheit, die Jahrtausende zurückgeht.

Aber eine Archäologie der Zukunft gibt es dort nicht. Gibt es nirgends, ausser in Zürich. Zürich ist die Pionierstadt der Archäologie der Zukunft. Das ist neu für uns und wird auch neu für Besucher aus dem Ausland sein.

Auswärtige Besucherinnen und Besucher freuen sich immer über die Magie unseres Sees und unserer Flüsse. Die einen kommen aus Binnenstädten, die anderen aus Hafenstädten. Einige mögen mit ihrem archäologischen Erbe auf eine reiche Vergangenheit zurückblicken, aber niemand gräbt seine Zukunft aus.

Wer nun in nächster Zeit in Zürich ankommt, wird zum ersten Mal in seinem Leben von einer Archäologie der Zukunft hören.

Besucherinnen und Besucher werden im Frühling und im Sommer wiederkommen, werden den Hafenkran sehen und sich ergötzen. Sie werden Zürich maritim erleben und dieses Erlebnis in die Welt hinaustragen.

Zürich-Transit-Maritim wird Einheimische und Gäste anziehen; Zürichs traumhafte Magie wird in einen Traum vom weiten Meer verlängert werden.

Was bleiben wird, ist die Erinnerung an eine Stadt, eine Binnenstadt mit See und Flüssen, die dank der Archäologie der Zukunft ihr Meer entdeckt hat.

Mit Shakespeare zu enden: Das ist mehr, als was sich unsere Schulweisheit träumen lässt.

 

Isabelle Vonlanthen, Programmgestaltung, Literaturhaus 

Seit Monaten befeuert „Zürich Transit maritim“ in Zürich die Diskussionen um die Gestaltung des öffentlichen Raumes – und auch unsere Fantasie. Das Literaturhaus Museumsgesellschaft Zürich freut sich, dass das Projekt „Zürich Transit maritim“ nun mit der Errichtung des Hafenkrans an der Limmat umgesetzt wird. 


Wir werden direkte Nachbarn dieses Krans sein, der etwa in 20 Metern Luftlinie von uns stehen wird. Uns verbindet aber nicht nur die räumliche Nähe mit diesem Projekt, sondern auch eine inhaltliche Verwandtschaft: „Zürich Transit maritim“ steht für vieles, was auch in unserer Auseinandersetzung mit Literatur zentral ist.


Das Projekt will die Imagination spielen lassen, stellt die Frage „Was wäre wenn …“, schafft Platz für Kreativität und ermöglicht nicht nur den ZürcherInnen, sondern auch den Besuchern der Stadt ein anderes Sehen. Und insofern es ist auch das, was die Literatur im Idealfall tut: neue Räume öffnen und das Nachdenken über Bestehendes anregen, spielerisch und tiefgründig zugleich. Dass im Binnenland Schweiz das Meer einer der grossen Sehnsuchtsmotoren ist, dem sich viele Autoren schreibend annähern, ist keine neue Erkenntnis – dass dieser Mythos jetzt aber eine konkrete Umsetzung findet, kann die Diskussionen um die Vorstellungen, was die Schweiz ist, und was sie sein könnte, neu entfachen. 


Deshalb freuen wir uns auf das Ungetüm, das vor unserer Haustür stranden wird: ob Zürich nun fast ein Jahr lang tatsächlich am Meer liegen wird, ob man auf dem Weg zur Arbeit in Gedanken Richtung Ozean schweift, ob über der Limmat plötzlich der Ruf eines Schiffshorns ertönt - vielleicht wird der Hafenkran die Sicht auf die Stadt nachhaltig erschüttern und verändern.  Das Literaturhaus sieht  deshalb verschiedene Veranstaltungen vor, die auf den Hafenkran auf unterschiedliche Weise Bezug nehmen. Wir freuen uns auch, dass nicht nur wir mit unserem Publikum maritime und andere Gedankenspiele unternehmen können – sondern dass die Nachbarschaft mit dem Hafenkran vielleicht auch Leute zu uns führen wird, die uns bisher noch nicht so gut kennen, und die wir so für das Abenteuer Literatur begeistern können.